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Ein ähnliches Bild zeigen die Salzburger Alpen mit der Berchtes-
gadener Gruppe. Überwältigend großartig ist die Bergnatur der süd-
östlichsten Ecke unseres Vaterlandes. In majestätischer Einsamkeit und
Pracht ruht inmitten eines Kranzes himmelanstrebender Felswände, am
Fuße des schnee- und eisbedeckten Watzmann, gleich einem flüssigen
Smaragde, der Königssee.
Welche Beschäftigungszweige finden sieh hier?
Da dem felsigen Boden nur äußerst magere Ernten abgerungen
werden können, so sind für die geringe Bevölkerung einzelne Zweige
der Forstwirtschaft, wie Holzfallerei, Flößerei, Kohlenbrennerei, Pech-
schwelerei, das Beeren- und Kräutersammeln, sowie die Holzschnitzerei
und der Geigenbau die Haupterwerbszweige.
Die beiden letzten Erwerbszweige haben zwei Haupt-
industriebezirke geschaffen.
Den Hauptsitz der Schnitzerei bildet Oberammer-
gau (Passionsspiele). Von den 1500 Einwohnern schnitzen
etwa 300 Kruzifixe, Heiligenfiguren, Altäre, Spielsachen und
Schmuckgegenstände, Jagd- und Tierbilder, Rahmen, Haus-
geräte und Bierkrüge.
Der Mittelpunkt des Geigenbaues ist: Mittenwald.
200 Personen verfertigen Geigen, Zithern, Gitarren und
andere Saiteninstrumente, deren jährlich etwa 10 000 von hier
in alle Welt versandt werden.
Wie in den bayerischen Alpen, so hat auch in der
Berchtesgadener Gruppe infolge des Kunstsinns der Be-
völkerung und des Reichtums an weichem Holze das Kunst-
gewerbe eine Heimstätte gefunden.
Der herrlich gelegene Marktflecken Berchtesgaden stellt
den Mittelpunkt desselben dar.
Seit 700 Jahren ist die Schneidekunst hier heimisch. Ihre Erzeug-
nisse, die aus Holz, Knochen, Elfenbein, Kirsch- und Aprikosenkernen
hergestellt werden, sind weltberühmt.
Merkenswert ist das Ländchen Berchtesgaden ferner wegen
seines Salzreichtums.
Das in großen Mengen sich findende Steinsalz wird hier
ausgelaugt und die Sole teils an Ort und Stelle versotten,
teils in einer 80 km langen Leitung zu den Salinen von
Reichenhall, Traunstein und Rosenheim geleitet.
Reichenhall ist das älteste deutsche Salzwerk; denn es
besteht seit etwa 2000 Jahren.
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TM Hauptwörter (100): [T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T6: [Eisen Gold Silber Kupfer Wasser Blei Metall Salz Kalk Stein], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt]]
TM Hauptwörter (200): [T90: [Alpen See Schweiz Inn Rhein Bodensee Gotthard Paß Rhone Italien], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T168: [Holz Tisch Messer Stück Honig Stuhl Griffel Hand Narbe Papier], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art]]
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34. Die Freundschaft.
Wenn jemand schlecht von deinem Freunde sprich;,
und scheint es noch so ehrlich: glaub' ihm nicht!
Spricht alle Welt von deinem Freunde schlecht:
mißtrau' der Welt und gib dem Freunde recht!
Nur wer so standhaft seine Freunde liebt,
ist wert, daß ihm der Himmel Freunde gibt.
Ein Freundesherz ist ein so seltner Schatz,
die ganze Welt beut nicht dafür Ersatz;
ein Kleinod ist's, voll heil'ger Wunderkraft,
das nur bei festem Glauben Wunder schafft —
doch jedes Zweifels Hauch trübt seinen Glanz,
einmal zerbrochen, wird's nie wieder ganz.
Drum, wird ein solches Kleinod dir beschert,
o, trübe seinen Glanz nicht, halt' es wert!
Zerbrich es nicht! Betrachte alle Welt
als einen Ring nur, der dies Kleinod hält,
dem dieses Kleinod selbst erst Wert verleiht;
denn wo es fehlt, da ist die Welt entweiht.
Doch würdest du dem ärmsten Bettler gleich,
bleibt dir ein Freundesherz, so bist du reich;
und wer den höchsten Königsthron gewann
und keinen Freund hat, ist ein armer Mann.
Fr. o. Bodensted!.
35. Der arme Musikant und sein Kollege.
An einem schönen Sommertage war im Prater zu Wien ein großes
Volksfest. Ganz Wien zog hinaus in die schönen Anlagen, unter die
großen, herrlichen Bäume, die so erquickenden Schatten boten. Vornehm
und gering, jung und alt freute sich dort des schönen Tages und vergaß
das Bündel Sorgen, das jeder mit sich herumschleppt. Viele Fremde
kamen auch heraus, sich an der Lust des Volkes zu erfreuen.
Wo viele fröhliche Menschen sind, da hat auch der etwas zu
hoffen, der auf die Barmherzigkeit seiner glücklicheren Mitmenschen an-
gewiesen ist. So sammelte sich denn hier eine große Anzahl Krüppel
und Bettler, Orgelmänner und Harsenmädchen, die sich ihren Kreuzer zu
verdienen suchten.
Unter diesen war auch ein alter Invalide, dessen kärglicher Ruhegehalt
zum Lebensunterhalte nicht ausreichte. Geradezu betteln mochte er nicht,
er griff vielmehr zu einer Kunst, die er in seinen jungen Jahren geübt
hatte. Er spielte die Violine so gut und so schlecht, als er es eben
konnte, und mochte denken: Geben sie dir nichts für dein Spiel, so sehen
sie doch deinen eisgrauen Kopf, deinen Stelzfuß und deinen geflickten
Rock an.
Der Invalide saß gewöhnlich unter einem breitästigen Ahornbaume
am Wege, wo die Leute hereinkamen, und spielte sein Stücklein. Seinen
alten Pudel hatte er aber dazu abgerichtet, daß er vor ihm saß und den
alten Hut an der Krempe im Maule hielt, in den die Leute ein Kreuzer*
lein hineinwarfen oder auch nicht.
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22
denn kannst bi mi mal Umschau holl'n3«
un kannst nah Arbeit wedder4" fragen.
Süh so, min Sühn! Un nu adjü:
un denk an Muttern und an mi.
Un nu, min Sühn, herun den Haut!"4'
Un leggi42 de Hand em up den Kopp;43
„Noch büst du gaud^nu bliw4^ ok gaud!"
Un langt den Hammer ut de Eck:
„So,numantau! Nu,Jung, nutreck!" —
Jehann un Mutter gähn herut.
„Treck düller, Jung!" seggt Meister Suut,
un sweißt und schmäd't, de Funken flogen
em in't Gesicht un in de Ogen,"
dat hei sei, wenn 't de Jung' nich süht,
sick ut de Ogen wischen müßt.
„Nah," seggt hei, „orntlich narschen" is '4
wo dumm un dämlich spritzt dat hüt."
Fritz Reuter.
18. Cin Kater an seinen Sohn.
Einen besonderen Rat will ich dir geben, für den du mir oft und
mit Jubel danken wirst: Spare für die Wanderschaft! Aus kleinen
täglichen Scherflein erwachsen dir herrliche Tage und Wochen. Wenn ich
jetzt im Schatten des Baumes so für mich hinträume, so sehe ich dich,
mein Junge, bisweilen auf der Wanderschaft, ftisch und flink, im leichten,
netten Gewand, das Ränzlein auf dem Rücken, den Stock in der Hand,
lustig über Berg und Tal. Kind, die Welt ist unbeschreiblich schön,
wenn man sie mit gesunden Gliedern durchwandert, mit jungen Augen
anschaut. Geh hinein in unser Bergland, und schau die Pracht, die
mich — deinen Vater — oft so selig gemacht, und besuche die schlichten,
guten Menschen, und sei fteundlich mit ihnen und ehre sie, wenngleich sie
uicht soviel wissen wie du. Sie wisien dennoch mehr. Glaube es mir
und schätze niemand gering außer den Schlechten, und halte niemand für
schlecht, außer du bist dreimal davon überzeugt worden.
Wenn du es verstehst, Menschen zu erfaffen, aber nicht so, wie ihr
Bild in dir selbst sich spiegelt, sondern wie sie sind, wenn du ein offnes
Auge hast für das Gute und Große, das in ihrem Leben ist, so wirst
du auf der Wanderschaft zunehmen an Weisheit, so wie du in deinen
Lehrjahren an Wissen zugenommen hast.
Es gibt eine Liebe und Treue, die man jedem zuwenden muß, mit
dem der Lebensweg — wenn auch nur für kurze Zeit — zusammen-
führt. Sei höflich, sei offen und wohlmeinend gegen jedermann. Komme
den Leuten mit Vertrauen entgegen, aber ganz vertraue dich keinem.
Erinnere dich öfters des schönen Spruches: Mit vielenteile deine Freuden,
mit wenigen dein Leiden, mit einem nur dein Herz! Lasse dir Gutes
tun, aber bleibe nichts schuldig; auch der Ärmste hat Gelegenheit, seinen
Wohltätern Freude zu machen. Bewahre dir, mein liebes Kind, ein
dankbares Gemüt, das adelt dich und schützt dich dein ganzes Leben vor
Weltbitterkeit und Menschenhaß. Verlaffe dich aber niemals auf fremden
Beistand, wo du dir helfen kannst.
Den Schatz, der für dich in den Menschen liegt, wirst du früher
erkennen, als den, der in der Schönheit und Größe der Natur, besonders
der landschaftlichen Natur, für dein Gemüt bewahrt ist. Aber bereite
2») halten. wieder. 41) herunter den Hut. t9i legt. 43) Kopf. ") gut.
bleibe. *#) Augen. 47) närrisch.
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nach seinen geschäftlichen Verhältnissen. Ich erfuhr, daß sein Gehalt
bewunderungswürdig klein war, und daß er dafür ebenso bewunderungs-
würdig viel zu tun hatte. „Ja, früher, in der sogenannten Gründerzeit,"
sagte er, „da war's besser, da gab's auch mancherlei Nebenverdienst. Wir
gehen alle Jahre zweimal ins Opernhaus in eine recht schöne Oper, und
damals haben wir uns gar bis in den zweiten Rang verstiegen, wo wir
ganz stolz und preislich saßen und vornehme Gesichter machten und
dachten, es käme wohl nochmal eine Zeit, da wir noch tiefer sinken würden,
bis unten ins Parkett, von wo die glänzenden Vollmonde wohlsituierter,
behäbiger Rentiers zu uns emporleuchteten. Es kamen aber die sogenannten
schlechten Zeiten, und endlich ereignete es sich, daß unser Chef einen Teil
seiner Beamten entlasten und das Gehan der anderen sehr bedeutend
verkürzen mußte. Ja, da sind wir wieder ins Amphitheater empor-
gestiegen. Im Grunde ist es ja auch ganz gleich, ich finde sogar, die
Täuschung wird befördert durch die weitere Entfernung von der Bühne.
Und glaube nur nicht, daß dort oben keine gute Gesellschaft vorhanden ist.
Tort habe ich schon Profefforen und tüchtige Künstler gesehen. Dort
sitzen oft Leute, die mehr von Musik verstehen als die ganze übrige Zu-
hörerschaft zusammengenommen, dort sitzen Leute mit Partituren in der
Hand, die dem Kapellmeister Note für Note auf die Finger gucken und
ihm nichts schenken."
Es war elf Uhr, als ich mich verabschiedete. Zuvor wurde ich in
die Schlafkammer geführt, um die Kinder zu sehen, die in einem Bettchen
lagen in gesundem, rosigem Kinderschlaf. Hühnchen strich leise mit der
Hand über den Rand der Bettstelle: „Dies ist meine Schatzkiste," sagte
er mit leuchtenden Augen, „hier bewahre ich meine Kostbarkeiten — alle
Reichtümer Indiens können das nicht erkaufen!"
Als ich einsam durch die warme Sommernacht nach Hause zurück-
kehrte, war mein Herz gerührt, und in meinem Gemüt bewegte ich mancherlei
herzliche Wünsche für die Zukunft dieser guten und glücklichen Menschen.
Aber was sollte ich ihnen wünschen? Würde Reichtum ihr Glück befördern?
Würde Ruhm und Ehre ihnen gedeihlich sein, wonach sie gar nicht trach-
teten? „Gütige Vorsehung," dachte ich zuletzt, „gib ihnen Brot und gib
ihnen Gesundheit bis ans Ende — für das übrige werden sie schon selber
sorgen. Denn wer das Glück in sich trägt in still zufriedener Brust, der
wandelt sonnigen Herzens dahin durch die Welt, und der goldene Schimmer
verlockt ihn nicht, dem die anderen gierig nachjagen, denn das Köstlichste
uennt er bereits sein eigen." Heinrich Seidel.
32. Handwerk ehrt, Handwerk nährt.
Es ist grad keine lustige Geschichte, die ich heute erzählen will;
aber sie ist wahr, und der Held derselben hat mir erlaubt, sie nieder-
zuschreiben zu Nutz und Frommen jener jungen Handwerksgesellen,
die gleich ihm ihr Handwerk verachten.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Seidel Heinrich
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Schmerz einer bekümmerten Menschenseele. Jetzt blieben die Leute stehen.
Keiner ging vorüber. Alle lauschten atemlos den wundervollen Tönen
und Melodien. Immer größer wurde der Kreis der Zuhörer. Selbst
die glänzenden Wagen der vornehmen Herrschaften hielten an. Was
aber der vornehme Geiger eigentlich beabsichtigte, erkannte jedermann,
nämlich, daß er für den armen Invaliden spielte, um das Mitleid für
ihn zu wecken. Man gab reichlich in den alten Hut, den der arme
Mann bittend hinhielt. Da fiel Gold, Silber und Kupfer, je nachdem
es die Leute hatten, und je nachdem das Herz war, mild oder zähe.
Der Pudel knurrte; war's Vergnügen, oder war er ärgerlich, daß ihm
sein Herr heute ins Handwerk pfuschte, wo es so vortrefflich ging?
Endlich war der Hut voll. Der Alte mußte ihn ausleeren. Und der
Fremde spielte und bewegte die Herzen so wunderbar, daß der Hut noch
einmal schier bis zum Überlaufen voll wurde. Die Augen des Fremden
leuchteten vor Freude, und er spielte, daß es totenstill in der Menge war
und dann plötzlich ein Beifallssturm losbrach, der gar nicht enden wollte,
bis er wieder begann und es wieder so still in der Menge wurde, daß
man die Herzen hätte schlagen hören können.
Allmählich aber wurde es kühl und die Abendluft feucht. Jetzt
ging der Fremde in die Melodie des Liedes: „Gott erhalte Franz den
Kaiser" über, die jeder Österreicher kennt und lieb hat. Alle Hüte und
Mützen flogen von den Köpfen, und allgemach wurde die Lust des Volkes
so groß, daß tausend Stimmen das Lied sangen. Der Geiger spielte
mit der größten Begeisterung. Plötzlich aber legte er die Geige in des
Alten Hand, nahm seinen Hut, nickte dem Alten freundlich zu, und ehe
der alte Mann ein: „Gott vergelt's!" und ein: „Dank' schön!" sagen
konnte, war er verschwunden.
Der Gesang verstummte endlich, als das Lied zu Ende war.
„Wer war das?" fragte das Volk, gegen den Invaliden an-
stürmend.
„Ich weiß es nicht," erwiderte der alte Mann, „aber Gott hat ihn
mir zu Hilfe gesandt; denn ich hätte ohne ihn heute hungern müssen."
Da trat ein Herr vor und sagte: „Ich kenne ihn sehr wohl, es
war der ausgezeichnete Geigenkünstler Alexander Boucher, der seit einigen
Tagen in Wien ist und hier seine Kunst im Dienste der Barmherzigkeit
übte. Lasset uns sein Beispiel nicht vergessen!"
Nun nahm der Herr seinen eigenen Hut vom Kopfe und sagte:
„Boucher spielte für diesen armen Invaliden, den wir heute alle ver-
gaßen!" — Alle gaben noch einmal, und als der Herr den Hut in des
Invaliden Sack ausgeleert hatte, rief er: „Boucher lebe doch!"
„Hoch! Hoch! Hoch!" rief das Volk.
Und dem Invaliden rollten die heißen Freuden- und Dankestränen
über die Wangen. Er faltete seine Hände und betete: „Herr, belohne,
vergilt du es ihm reichlich!"
Ich glaube, es gab an diesem Abend in Wien zwei, die zu den
Glücklichsten zu rechnen waren; der eine war der Invalide, der nun
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Extrahierte Personennamen: Geiger Franz Franz Geiger Alexander_Boucher Alexander
192
Da inzwischen die Sonne die Wolken durchbrochen hat, unter-
nehmen wir einen Gang durch die Stadt. So niedrig wir auch
unsere Erwartungen auf Sauberkeit und Schönheit geschraubt
haben, so bringt der erste Anblick doch noch eine Enttäuschung
hervor. Wir sind geneigt zu fragen, ob denn die Häuser wirk-
lich aus Steinen oder nicht vielmehr aus Kohlenblöcken oder
Schiefer gebaut sind: denn Schwarz und Grau sind die einzigen
Farben der Gebäude; schlammiger Ruß, aus tausend Essen
täglich aufsteigend und vom Regen niedergeschlagen, überzieht
schon in kurzer Zeit Häuser, Denkmäler, Bäume mit einer
schwärzlichen, alles entstellenden Kruste. So ist denn Manchester
weder ein malerischer Ort, noch ein besonders anmutiger Wohn-
sitz zu nennen; eher läßt es sich als eine ungeheure Werkstätte
bezeichnen, in der man arbeitet, um die Mittel zu erwerben,
außerhalb der Stadt frei und ländlich in den freundlichen Vor-
orten zu wohnen.
Neben vielen winkligen und entsetzlich öden Gassen, wo
die große Menge der Fabrikarbeiter wohnt, besitzt es lange,
breite Straßen mit glänzenden Läden, Hotels und öffentlichen
Gebäuden. In einer der Hauptpulsadem des Verkehrs, in der
sich ein Gewühl und Treiben abspielt, das lebhaft an London
erinnert, liegt auch das Herz der Stadt, die Börse, wo zweimal
wöchentlich aus allen Städten die Vertreter der großen Firmen
zusammenströmen und der Preis der Baumwolle festgesetzt wird.
Im Mittelpunkte der Stadt erhebt sich das Rathaus, ein ge-
waltiger Bau in englisch-gotischem Stil mit einem 100 Meter
hohen Uhrturm. Alle diese Gebäude werden eingehend besichtigt.
Wir beschließen den Tag mit einer Fahrt nach dem volks-
tümlichsten Vergnügungsort der Stadt, der seinen Gästen Konzert
und Feuerwerk, wilde Tiere, Wassersport und besonders Tanz
im Freien bietet und einen Anziehungspunkt für ganz Lancashire
bildet.
So haben wir einige eigenartige Örtlichkeiten der Groß-
stadt kennen gelernt; es bleibt uns noch das Wichtigste
übrig, einen Blick in eine der riesenhaften Werkstätten von
, Cottonopolis “ (Baumwollstadt) zu tun. Dazu bedarf es der
Erlaubnis eines Fabrikherrn. Wir begeben uns bald nach Be-
ginn der Geschäftszeit, um 10 Uhr, nach dem Welthause
Ryeland in Oldham Street. Es ist schwarz wie alle andern,
aber näher besehen, nicht ohne monumentale Pracht, wie denn
die Kontore und Handelshäuser Dieser großen Handelsherren
die eigentlichen Monumente von Manchester genannt werden
können. Wir treten ein und befinden uns in Räumen, die von
oben bis unten mit den verschiedensten Erzeugnissen der Baum-
wollindustrie vollgestopft sind, weißen und bedruckten Stoffen,
den feinsten, duftigsten Geweben, grobem Barchent, kostbaren
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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Extrahierte Ortsnamen: London Lancashire Cottonopolis Welthause
Ryeland Oldham_Street
387
hier up de Straten rümmer gähn?"
„„Gewiß, mein lieber Freund, das können Sie!
Der Eigentümer von dem Vieh,
das solches Ihnen angetan
und Ihre Hose riß in Fetzen,
muß Ihnen selbige ersetzen. —
„Süll't woll drei Doler föddern können?"
„„Gewiß, das können Sie! Für diese schönen
und neuen Hosen ist das nicht zu viel.""
„Na, Herr Avkat," sagt Möller Thiel,
„denn geben S' man drei Daler her,
wil't Ehr oll Keter wesen ded."
„„Mein Hund? — mein Pollo biß Sie in die Waden?
Nun gut!* Ich glaub's und stehe für den Schaden:
Hier sind drei Taler für die Hosen.
Was Recht ist, muß als Recht bestehn,
und sollt' die Welt in Stücken gehn!""
De Möller lacht so recht gottlosen
un denkt: De heft du richtig nommen!
Strikt fik dat lütte Geld tausamen
und will gehorsamst stk empfehlen. —
„„Halt, lieber Freund!"" seggt de Avkat,
„„Ich kann es Ihnen nicht verhehlen,
daß in bcregter Sach' für Müh' und guten Rat
drei Taler sechzehn Groschen mir gebühren.
Man wedder rut mit de drei Doler,
un söstein Gröschen bigeleggt!
Denn kömmt de Sak erst richtig t'recht.
Recht, Fründing, möt as Recht bestahn,
un süll de Welt in Stücken gähn!""
Fritz Reuter.
163. Eine Beleidigungsklage.
Der Schlossermeister Vogt war bitterböse auf seinen Konkurrenten, den
Schloffermeister Kurz. Oie Schlosserarbeiten für den neuen Kirchenbau, aus
deren Übertragung er sicher gerechnet hatte, waren Kurz zugefallen. Soeben
hatte er's erfahren. Am Zaune seines Gartens stehend, klagte er dem Nachbar
Schmied fein Mißgeschick. Da kam zufällig sein glücklicherer Mitbewerber die
Straße entlang und an den beiden vorbei. Vogt konnte sich nicht halten. Gr
mußte seinem Grolle Luft machen. So laut, daß man es weit über die Straße
hören konnte, rief er dem ahnungslosen Vorübergehenden zu: „Na, man kennt
ja die Schliche und Bestechereien. Da kriegen Schwindler und j)suscher die
Arbeiten, und ehrliche Meister können verhungern, pfui I"
Bhne ein Wort zu erwidern, setzte Kurz seinen Weg fort. Doch innerlich
wurmte es ihn gewaltig, hatten doch verschiedene Nachbarn und ein eben daher-
kommendes Gemeinderatsmitglied die Beleidigung mit angehört. Lr lenkte
25*
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
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— 390 —
Frau Tischlermeister Kern war behäbig, wie das so ihre Art, vom
bequemen Sorgenstuhl am Fenster aufgestanden und an den runden Tisch
getreten. Ihre klugen, grauen Augen wanderten von dem vergnügten
Gesicht des Alten zu dem Geldbeutel und von dem Geldbeutel wieder zu
dem Alten zurück.
„Aber so rede doch endlich, Mutterken. Wat haste denn eegentlich?"
meinte Meister Kern ein wenig ärgerlich. „Ick dachte, wat wiro sich die
Me Olle freuen, des bet Jeschäft perfekt is, un nu macht se n'en Jesicht
wie sieben Tage Regenwetter."
„Ick möchte dir man bloß die Freude nich verderben, Papachen",
sagte sie endlich langsam, „'s is ja schon jut, wenn du zufrieden bist. Du
weeßt ja, ick bin n'en bißchen altmodisch, un ick versteh mir vielleicht nich
recht uf de neue Sorte Jeschäfte — mir schwindelt's manchmal dabei."
Er lachte laut auf. „Olle, sei nich komisch. Wir sitzen seit acht
Wochen uss Trockne, haben nich een Schemelbeen in Arbeet —"
„Aber ooch nich 'neu Jroschen Schulden un für'u Notfall immer noch
unsre paar tausend Tälerken in juten preußischen Pfandbriefen liegen —*
„Willst du die vielleicht so langsam anprepcln, Mutter? Wenn's
so weiter jejangen wäre, hätten wir doch ran jemußt."
„Wenn's man so nich erst recht flöten jetzt, Karl." Der Meister
wollte ärgerlich auffahren, aber sie legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Man nich heftig weren, Papachen, 's is ja nich böse jemeint, aber ick
meene man bloß, wenn du nu bet ville Holz koofen mußt, un alle
Sonnabend die Jesellen auslöhnen sollst . .."
„Hab ich's mir doch jedacht!" lachte er schon wieder vergnügt. „Die
reene Piepmeierei! Dasor haben Herr Wresliug un ich wohl nich vor-
jesorgt — wat? Na also laß dir verzählen. Jleich, nachdem wir allens
abjemacht, sin wir zu Dahlo & Uhlmann jefahren, un ick habe den janzen
Ramsch Holz jekooft, scheene, trockne Bretter, ne wahre Pracht un nich
zu teier. Drei Monat Ziel —"
„Un dann?"
„Na was denn: un dann? Nach drei Monat is det Haus fertig,
ick kriege mein letztes Jeld un zahle an den Holzfritzen, un et bleibt
»och was Hübsches übrig, so'ne tausend Talerlen, taxier' ich. Un wat
nu det Lohn anbetrifft, so kriege ick jeden Freitag so'n Beutclchen da von
Herrn Wiesling. Bist du nu zufrieden, Olle? Nu soll es aber ooch
losjehn, daß die Hobelspäne man so fliegen, un de Leute sich wundern,
was der olle Kern für'n Kerl is."
Der alte Kern! Am Kottbusser Damm kannte ihn jedes Kind, und
in der ganzen Nachbarschaft zogen die Leute den Hut, wenn er vorüber-
ging. Seit zehn Jahren wohnten Kerns draußen. Drinnen in der
Stadt waren die Mieten gar zu teuer geworden, und das Geschäft ging
schon lange nicht mehr, wie es sollte, und wie es früher gegangen war.
Am Meister lag's gewiß nicht, der war auf dem Posten von ftüh bis
spät — die Zeiten waren andere geworden. Ehedem hatte er mit ein
vaar Gesellen immer vollauf zu tun gehabt und manchen schönen Groschen
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
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260
gtmmetmcmn
großen Zahl von Mitgliedern wären, wenn sie nicht die Sätze verkürzt
hätten, trotz ihres großen Barvermögens, sehr bald am Ende ihrer Mittel
gewesen, denn sie bezahlten noch Mitte November wöchentlich \lu Millionen
Mark Arbeitslosenunterstützung. Dabei sinkt die Zahl der Arbeitslosen be-
ständig, und in manchen Städten erhalten Leute, die öffentlich Arbeiter-
suchen, kaum einige wenige Angebote, Für Arbeitslose aus gebildetem
Stande sind vielfach Kriegsschreibstuben errichtet, die zugleich den An-
gehörigen das Schreiben der Feldpostadressen erleichtern sollen. Wertvolle
Kriegshilse leistete in dieser Beziehung der auch im Frieden schon ähnlich
tätige Verein „Dienst an Arbeitslosen" (Berlin N), auch die ver-
schiedenen Zentralen für private Fürsorge, für stellungslose Kaufleute,
die Zentralen der verschiedenen Kaufmannschaften und die Handels-
kammern.
5. Da, wo die Mütter mehr als in Friedenszeiten darauf angewiesen
sind, Geld zu verdienen, tritt die Frage nach der Kinderversorgung gewichtig
auf. In diesen: Falle sind die Kinderhorte und Krippen der Kirchen-
genieinden von großer Bedeutung geworden, ebenso wie die sonstigen
schon in Friedenszeiten getroffenen Einrichtungen, z. B. in Berlin die des
Vereins für Kinder-Volksküchen und Volkskinderhorte (Berlin
W 50, Schaperstr. 3h) oder des Vereins zur Beförderung derklein-
kinderbewahranftalten (gegr. J833). Da die Gefahr groß war, daß
die ärmeren Kirchengemeinden aus Mangel an Mitteln in der Kriegszeit
solche Einrichtungen nicht weiter aufrechterhalten können, sind die wohl-
habenderen Kirchengemeinden eingesprungen und haben z. B. in Berlin
allein 250 000 Mark zu den: Zwecke zur Verfügung gestellt; viele kirch-
liche Vereinshäuser dienen als Lazarette. Welche unendlich wertvolle
Kriegshilfe von dieser Seite geboten wurde durch reichliche Darbietung
dessen, was in predigt und Seelsorge, Kriegsbetstunden und Familien-
abenden bekümmerten Seelen Mut und Festigkeit zu geben und Sorge
und Angst zu bannen vermag, braucht nicht näher ausgeführt zu werden,
wenn in Kriegszeiten das seelische Gleichgewicht in Gefahr ist, so ist ein
Mittel zur „Ruhe für die Seele" besonders nötig, und entsprechende Ver-
anstaltungen, wie die allwöchentlichen vaterländischen Abende des Deutsch-
Evangelischen Volksbundes (Godesberg a. Rh.) sowie die Kriegs-
abende der katholischen Arbeitervereine West-Deutschlands, des
Volksvereins für das katholische Deutschland usw. sind besonders
in den Großstädten mit Freude zu begrüßen. Besondere Schwierigkeiten
entstehen dadurch, daß manche ffausfrauen infolge mangelhafter hauswirt-
schaftlicher Kenntnisse nicht imstande sind, sich den verminderten Einkommens-
verhältnissen anzupassen. Der Volksvereinsverlag in M.-Gladbach,
der auch im Frieden manche wertvolle Anregung und Belehrung über haus-
wirtschaftliche Schulung gegeben hat, gab eine Reihe von „Kriegsbriefen"
heraus zur hauswirtsckmftlichen Belehrung der Frauen, die durch viele
Gemeinden verbreitet worden sind. Der Verband „Arbeiterwohl"
(M.-Gladbach) erließ beim Ausbruche des Krieges einen Aufruf an Städte
und Korporationen, die hauswirtschaftlichen Bildungseinrichtungen in der
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Extrahierte Ortsnamen: Berlin Friedenszeiten Berlin Berlin Berlin West-Deutschlands Deutschland M.-Gladbach